Pressestimmen ELEKTRA

Ulrike Krickau, Frankfurter Rundschau (24. März 2007)
“Das Freie Schauspiel Ensemble zeigt von Hofmannsthals Elektra als ganz und gar reduzierte, auf eine Essenz an Emotionen konzentrierte Inszenierung, die in keinem Augenblick durch Lichteffekte, Geräusche oder Requisiten überlagert wird. Die Bühne ist ein großer offener Raum, durch Stützpfeiler strukturiert, in der Mitte der Rückwand führt ein rot gestrichener Flur hinein in die Realität, die im düsteren Vordergrund verhandelt wird (Bühne: Gerd Friedrich) … Klytämnestra, die Unbewegliche, ist eine alt gewordene Schöne mit hohlen Wangen und dunklen Augenrändern. Michaela Ehinger lässt ihre Gesten mit den weichen, ziellosen Bewegungen einer alten Frau ins Leere laufen und im Mittel gegen ihre Albträume Rettung suchen. Dass sie sich an den Mord an ihrem Mann nicht mehr erinnern kann, ist in Michaela Ehingers Darstellung keine bewusst getroffene Entscheidung, sondern die Voraussetzung ihrer Existenz. Elektra (Bettina Kaminski) ist ganz und gar unversöhnliche Erinnerung, längst ist der Gedanke an Rache größer geworden als es Elektra jemals war. Zwischen diesen beiden Frauen steht Chrysothemis, die Schwester Elektras, die Michaela Conrad als Frau zeigt, der das Schicksal die Schultern nach vorne gebeugt und den Leib ausgelaugt hat und die doch noch weiß, dass es möglich gewesen wäre, zu lieben und Kinder zu haben. Orest, der Bruder, kehrt zurück und kann gar nichts anderes sein als der lange erwartete Rächer. Adrian Scherschel steht auf der leeren Bühne, zunächst noch distanziert umgibt er sich mit dem Rauch seiner Zigarette. Doch der einmal eingeschlagene Weg, so falsch er auch sein mag, muss konsequent zu Ende gegangen werden. Undurchdringlich ist in der Inszenierung von Reinhard Hinzpeter das Blendwerk der miteinander verstrickten Gefühle. Der Weg vom Anfang bis zum Ende der Elektra ist eine Fahrt durch einen dunklen Tunnel. Für Seitenwege oder auch nur einen Blick darauf ist es längst zu spät geworden.”

Astrid Biesemeier, Frankfurter Neue Presse (26. Februar 2007)
“Reinhard Hinzpeter hat Hofmannsthals ‘Elektra’ sehr klar und konsequent auf die unterschiedlichen Positionen und somit auf die vier Protagonisten zusammengekürzt. Mit seinen Schauspielern nimmt er Sichtweisen und Argumente der Figuren sehr ernst und denunziert keine. Nicht die rebellische, mal klar räsonierende, mal sich in Hass redende und in schwarz gekleidete Elektra (Bettina Kaminski). Aber auch nicht Klytämnestra (Michaela Ehinger), deren weißer, seidener Morgenmantel die eigentlich zarte, innerlich gebrochene, da Gewissensbisse verdrängende Frau mehr verrät als verhüllt. Allein ihre Plateauschuhe bleiben als Symbol der Macht, ihr Gang jedoch ist alles andere als fest. Und kann man Chrysothemis (Michaela Conrad) verurteilen, die im geblümten Rock rührend emotional ihr kleines Glück und den Wunsch nach Kindern verteidigt und aus Angst nicht dem Racheplan ihrer Schwester folgen will? Oder ist nur der als Saubermann aus einer anderen, heileren Welt zurückkehrende Orest (Adrian Scherschel) legitimiert, ein auf Mord gegründetes Regime abzuschaffen? Wie in vielen politischen aber auch privaten Konflikten gibt es nicht die eine Wahrheit – und leider keinen Kompromiss. Die trennenden Gräben sind tiefer als der Wunsch nach Versöhnung. So ist der leere Bühnenraum auch düster, Annäherungen finden nicht statt. Bis auf Orest und Elektra trennt immer ein dunkler Korridor die miteinander Sprechenden, deren Positionen richtig und falsch zugleich sind. Das ist die unbequeme, aber einzig mögliche Wahrheit, mit der Hinzpeter das Publikum entlassen kann. Allein der letzte Satz Elektras könnte einen Ausweg aus der Spirale weisen, dass auf Rache Rache folgt. Vielleicht gäbe es Hoffnung, müsste sie nicht sagen ‘Ich kann mich nicht lieben’.”